Nachdem die Coronavirus-Fallzahlen wieder gestiegen sind, fordert Thomas Bösch dezentrale Impfmöglichkeiten
Thomas Bösch, Präsident der SVP Toggenburg, bemängelt, dass es im ganzen Toggenburg keine Möglichkeit gibt, sich impfen zu lassen. Die ländliche Bevölkerung werde im Stich gelassen. Er hofft, dass der Kanton bald wohnortnahe Impfmöglichkeiten schafft.
Toggenburg Schon lange vor den Sommerferien ahnte Thomas Bösch, Präsident der SVP Toggenburg, wie sich die Corona-Situation in der Schweiz nach den Ferien entwickeln würde. «Im letzten Jahr erlebten wir im Sommer und an Weihnachten, dass Auslandreisende – namentlich aus dem Balkan – das Virus eingeschleppt und für erhöhte Fallzahlen gesorgt hatten», sagt Bösch. Da der Bund auch in diesem Sommer auf Tests und Quarantäne bei der Rückreise grösstenteils verzichtete, war wieder von einem Anstieg der Fälle auszugehen. «Es ist absolut unverständlich, dass die Reisefreiheit offenbar höher gewichtet wird als die Bewegungsfreiheit der Menschen in der Schweiz. Nirgends sind die Grenzen so ungeschützt wie in der Schweiz», ärgert sich Bösch. Die Folgen der politischen Versäumnisse bekäme die Bevölkerung jetzt zu spüren: Stark ausgelastete Intensivstationen in den Spitälern und folglich eine Abkehr von der «Normalisierungsphase». Dies führe dazu, dass die Impfquote nun panisch erhöht werden soll. Doch Bösch fällt auf: «Es gibt im ganzen Toggenburg seit Monaten keine einzige Möglichkeit, sich impfen zu lassen.» Anrufe bei zwei Arztpraxen bestätigen dies. Sowohl beim Ärztehaus Wiese in Nesslau als auch bei Medbase in Wattwil wird man an das Impfzentrum Wil verwiesen.
«Impfen muss freiwillig bleiben»
Buchs, St.Gallen, Jona und Wil – diese Impfzentren kommen für die Toggenburger Bevölkerung infrage. Doch nicht jeder nehme so lange Wege auf sich, um sich impfen zu lassen. So brauche man von Nesslau aus rund 40 Minuten nach Wil. «Wer sich bewusst impfen will, der nimmt den langen Hin- und Rückweg nach Wil in Kauf. Wer sich nicht impfen will, wird sich auch vor seiner Haustür nicht impfen lassen. Wenn die Impfquote erhöht werden soll, ist es wichtig, die Unschlüssigen abzuholen, die sich nur bei günstiger Gelegenheit impfen lassen», sagt Bösch. Der Kanton müsse dafür sorgen, dass es auch im Toggenburg Möglichkeiten gibt, sich gegen das Coronavirus zu impfen. «In Österreich gehen sie längst mit Impfmobilen zur Landbevölkerung. So etwas könnte bei uns ebenfalls eingesetzt werden.» Zwar wurden im Kanton St.Gallen bereits mobile Impfstellen eingesetzt, allerdings noch nicht in ländlichen Gegenden. Weiter ist Bösch davon überzeugt, dass sich im Toggenburg unzählige Orte finden lassen, an denen ein Impfzentrum eingerichtet werden könnte. «Das Spital Wattwil wird nicht vollständig genutzt. Da könnte man doch ab und an Impfungen durchführen», sagt Bösch. Auch in der Infrastruktur von Alters- und Pflegeheimen wäre dies denkbar. Allerdings will Bösch verhindern, dass eine Impfpflicht geschaffen wird: «Impfen muss freiwillig bleiben. Es ist und bleibt ein persönlicher Entscheid.»
Zertifikatspflicht wäre verheerend
Die Covid-Fallzahlen sind in den letzten Wochen schweizweit in die Höhe geschossen. Dass der Bundesrat seit Wochen mit der Ausweitung der Covid-Zertifikatspflicht droht, findet Thomas Bösch allerdings verwerflich: «Ich bin gegen die Ausweitung der Zertifikatspflicht. Diese hätte verheerende Folgen für Gastronomiebetriebe, Events, Museen und touristische Betriebe.» Auf dem Land würden diese Betriebe sogar noch stärker leiden, vermutet Bösch. Mit einer Impfquote von nur 43 Prozent liegt der Wahlkreis Toggenburg weit hinter den anderen Wahlkreisen zurück. Das Covid-Zertifikat verstärke die Spaltung der Gesellschaft. Anstatt den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen, soll das Angebot auf dem Land, sich wohnortnah und zeitlich flexibel impfen zu lassen, ausgebaut werden. «Will der Kanton die Impfquote erhöhen, soll er Anreize schaffen, nicht den Druck erhöhen.»
Es gibt kein weiteres Impfzentrum
Auf Anfrage dieser Zeitung erklärt das Gesundheitsdepartement des Kantons St.Gallen, dass im Toggenburg kein Impfzentrum geplant sei. Die vier bestehenden Impfzentren in Wil, St.Gallen, Jona und Buchs seien aufgrund der guten Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Auto, genügend Parkplätzen, barrierefreien Zugängen und einer erweiterbaren Infrastruktur möglichst gut über das Kantonsgebiet verteilt ausgewählt worden. Zudem würden einzelne Hausärzte Impfungen anbieten. Eine Liste der Hausärzte, die impfen, gebe es aber nicht. «Wer einen Termin bei seiner Hausärztin oder seinem Hausarzt vereinbaren möchte, ist gebeten, sich direkt an die Praxis zu wenden», erklärt das Gesundheitsdepartement. Aktuell laufe die Kampagne «Entscheide dich jetzt», mit der Unentschlossene dazu animiert werden, sich über die Impfung zu informieren. Mit dieser Kampagne wolle man die gesamte Bevölkerung erreichen. «Auch wird das Angebot um mobile Impfstellen erweitert, an denen Walk-In-Impfungen möglich sind.» Sobald weitere Standorte festgelegt wurden, werde der Kanton darüber informieren. Ob bald eine mobile Impfstelle im Toggenburg eingesetzt wird, lässt der Kanton aber offen. Mit den bisherigen mobilen Impfstellen zeigt sich das Gesundheitsdepartement aber zufrieden: «Die Impfzahlen liegen im Rahmen der Erwartungen, so wurden zum Beispiel an der OBA täglich über 100 Personen geimpft.»
Von Manuel Reisinger